Aufwand vs. Anerkennung in der Fotografie
Aufwand und Anerkennung liegen in der Fotografie zwar nah zusammen, beeinflussen sich gegenseitig aber nicht wirklich.
Nur weil ich wahnsinnig viel Arbeit mit einem Foto hatte, bedeutet es nicht, dass dieses Foto auch in der Öffentlichkeit den größten Anklang findet. Warum ist das so?
Aufwand ist deine eigene Story zu einem Foto
Ich erinnere mich noch an einen Moment in Madrid. Ich war für ein paar Wochen dort unterwegs. Jeden Morgen bin ich durch dieselbe Straße gelaufen. Da war ein altes Haus mit einer knallgrünen Tür – total unscheinbar für andere, aber für mich war das wie ein Ankerpunkt.
Eines Tages hab ich die Kamera dabei gehabt und genau dieses Haus fotografiert. Nicht spektakulär, kein perfektes Licht, kein Wow-Moment für jemanden, der es nicht kennt.
Aber für mich hängt an diesem Bild die komplette Stimmung dieser Zeit. Ich riech fast den Kaffee aus dem kleinen Café an der Ecke, wenn ich es mir anschaue.
Oder denk mal an ein Foto von einer abgelegenen Berglandschaft. Vielleicht hast du dafür drei Tage lang mit schwerem Rucksack durch Matsch und Regen gekämpft. Keine Menschenseele weit und breit, nur du, deine Kamera und die Wildnis.
Klar – das Bild sieht für andere vielleicht einfach nur nett aus. Aber für dich ist es ein kleiner Film, der direkt in deinem Kopf abläuft, jedes Mal, wenn du es anschaust.
Oder Wildtierfotografen, die teilweise über Wochen oder sogar Monate früh aufstehen und sich in einer Beobachtungshütte auf die Lauern legen, nur in der Hoffnung dass ihnen der Wolf oder Bär vielleicht für 5 Minuten über den Weg läuft und fotografiert werden kann.
Für diese Fotografen ist das Foto dann auch der Gimpfel der ganzen vorangegangenen Fehlschläge die man hatte, ehe man an diesen Punkt gekommen ist.
Und genau das macht es so persönlich. Niemand sonst kennt die ganze Geschichte hinter dem Bild. Du hast sie erlebt. Du hast den Aufwand betrieben. Und du bist der Einzige, für den das Foto mehr ist als nur ein schönes Motiv.
Anerkennung entsteht durch die Story, die andere in deinem Foto sehen
Du kannst noch so viel schuften für ein Foto – durch den Regen stapfen, stundenlang auf den richtigen Moment warten oder mit der Kamera an Orte gehen, die sonst keiner betritt.
Aber wenn dein Bild bei anderen nichts auslöst, bleibt es einfach nur ein Foto. Kein Mensch da draußen weiß, was du alles dafür getan hast. Was zählt, ist das, was jemand beim Anschauen fühlt.
Anerkennung kommt nicht durch Aufwand, sondern durch Wirkung. Ein Bild wird dann stark, wenn jemand davor steht und plötzlich innehalten muss. Wenn da eine Geschichte spürbar ist – nicht unbedingt deine, sondern eine, die im Kopf des anderen entsteht. Vielleicht denkt jemand an eine Kindheitserinnerung, an einen Ort, an ein Gefühl.
Ich war in Bangkok und habe dort fotografiert. Und ich hatte Leute, die mir gesagt haben, dass sie die Fotos echt toll finden. Meist haben sie dann aber auch dazu gesagt das sie selbst schon in Bangkok waren, dort leben oder demnächst dorthin wollen.
Haben diese Leute also jetzt wirklich mein Foto gut gefunden? Oder war es viel eher die Erinnerung oder Erwartungshaltung an den Aufenthalt, den sie selbst an diesen Orten hatten?
Oder ein anderes Beispiel: Der Fototrainer Christian macht gelgentlich Bildreviews auf seinem Youtube Kanal. Und bei jedem Bild ist seine erste Aussage: “Ok, holt mich das Bild ab”. Mich. Persönlich. Nicht ob der Fotograf jetzt super viel Arbeit damit hatte oder sonst etwas. Das kommt dann sicher immer etwas nachgelagert, aber die erste Bewertung ist erst einmal eine völlig persönliche.
Ich meine das auch gar nicht böse oder negativ. Aber im Grunde war mein Foto inhaltlich nicht super relevant, weil es jeder Betrachter sowieso anders interpretiert hat.
Und genau dann entsteht Anerkennung. Nicht, weil du 15 Stunden auf einem Felsen ausgeharrt hast, sondern weil dein Foto etwas berührt hat.
Du musst also nicht nur zeigen, was du gesehen hast – du musst etwas zeigen, das bei anderen etwas zum Klingen bringt. Es reicht nicht, dass du deine Story kennst. Die Frage ist: Können andere darin ihre eigene erkennen?
Was bedeutet das für die eigene Fotografie?
Die Welt ist voll von Bildern. Jede Sekunde werden Millionen Fotos gemacht, geteilt, gescrollt, vergessen. Warum also sollte sich jemand für deine Aufnahmen interessieren? Nicht, weil sie technisch perfekt sind oder weil du so viel Mühe hineingesteckt hast.
Grundsätzlich interessiert sich erst einmal niemand wirklich für deine Fotos.
Das klingt erstmal ernüchternd, oder? Ist es aber nicht. Denn es bedeutet: Du bist frei. Du musst nicht fotografieren, was andere gut finden könnten. Du musst keine Trends mitgehen, keine Erwartungen erfüllen.
Konzentrier dich einfach auf das, was dich fasziniert. Auf die Motive, die dich neugierig machen, die dir eine Geschichte erzählen. Wenn du selbst mit Leidenschaft dabei bist, strahlt das aus – und genau das zieht Menschen an.
Aber wie schaffst du es dann trotzdem, dass andere deine Arbeit wahrnehmen? Indem du mehr zeigst als das Foto. Zeig den Weg dahin. Die Geschichte, die dahintersteckt. Stell dir vor, du machst ein Bild von einer alten Holzbank im Park. Für andere ist es vielleicht nur eine Bank.
Aber wenn du erzählst, wie du wochenlang bei Regen und Sonne dort warst, bis das Licht genau durch die Blätter fiel, wie eine ältere Dame jeden Tag dort saß und dir von ihrem Leben erzählte – dann wird die Bank plötzlich lebendig. Die Geschichte macht das Foto greifbar.
Peter McKinnon, ein bekannter Fotograf, hat mal ein Video über seinen „Bucket Shot“ gemacht. Das Foto selbst? Ein schönes Bild von einer kanadischen Landschaft.
Aber das Video zeigte, warum dieses Foto für ihn wichtig war: die Rückschläge, die Suche nach dem richtigen Moment, die persönliche Bedeutung. Plötzlich war das Foto nicht mehr nur ein Bild, sondern ein Symbol für Durchhaltevermögen und ein Mitfiebern, ob er seine Traumaufnahme schaffen kann.
Es geht nicht darum, jedes Foto mit einer epischen Geschichte aufzublasen. Manchmal reicht ein kleiner persönlicher Funke. Vielleicht ist es das unscharfe Bild deines Kindes, das niemand außer dir besonders findet – aber für dich zeigt es den Moment, in dem es zum ersten Mal ohne Stützräder fuhr. Wenn du diese Emotion teilst, gibst du anderen die Chance, sie mitzufühlen.
Klar, auch dann gibt es keine Garantie für Likes oder Anerkennung. Aber die Chancen steigen. Weil Menschen keine perfekten Bilder brauchen, sondern etwas, das sie berührt.
Und manchmal reicht es schon, wenn du zeigst, was dir wichtig ist – ganz ohne Filter, ganz ohne zu berechnen, was „erfolgreich“ sein könnte.
Am Ende fotografierst du nicht für die Algorithmen, sondern für dich. Und wer weiß: Vielleicht findest du genau damit auch die Menschen, die genau das sehen, was du siehst.